Luise Wilhelmine Eugenie Schildt
Eugenie Schildt war Tochter des Amtmannes Schildt auf Rittergut II Kalbe an der Milde. Sie ist geboren am 03. September 1831. Sie wuchs mit Ihrer 2 Jahre älteren Schwester Emilie in Kalbe auf. Ihre Großeltern
ursprünglich Wassermüller in Kalbe hatten sich nach der Franzosenzeit (1817)
das alvenslebensche Vorwerk II gekauft und als Rittergut ausgebaut. (der Großvater Andreas Christian Schildt starb bereits am 09.04.1828 und und die Großmutter Emilie Cecilie Wilhelmine am 05.07.1829) Ihre Mutter eine geborene von Alvensleben verstarb sehr früh. Ihr Vater heiratete 1850 erneut. Aus dieser Ehe gingen 2 Brüder (Rudolpf Georg Friedrich Wilhelm, Ludwig Wilhelm) und 2 Schwestern (Clementine Ferdinande Fridericke Wilhelmine (Clementine starb 1852 kurz nach der Geburt), Adeline Pauline Elisabeth Caroline) hervor.
Der Vater verstarb 1864, das Gut wurde dann Bestandteil einer Erbengemeinschaft und erst 1873 an die Familie von Goßler verkauft.
Geburtshaus der Eugenie Schildt, 1817 gebaut, musste 1873 nach dem Verkauf an die Fam. v. Gossler wegen Schwammbefall abgerissen werden.
Als Achtzehnjährige hielt sie eine patriotische Rede anläßlich der Fahnenweihe des
Schützenvereins Kalbe/Milde (unten abgedruckt).
Sie erreichte auf dem Gebiet der Malerei ein bemerkenswertes künstlerisches Niveau, dabei war Sie Autodidaktin auf diesem Gebiet. Das folgenden Selbstbildnis als auch das Porträt eines Herrn v. Alvensleben zeugen davon.
Am 6. März 1894 verfügte E. Schildt in Riva am Garda-See in Südtirol testamentarisch über ihr Kapitalvermögen. Demzufolge sollte in ihrer "geliebten Vaterstadt Calbe an der Milde" für 40.000 Mark ein Stadtkrankenhaus gebaut werden,
in dem unbemittelte Personen aus Kalbe unentgeltlich behandelt werden sollten. Weitere 10.000 M bestimmte sie zur "Eugenie Schildt-Stiftung", woraus Spenden "an ohne ihr Verschulden in Not geratene Personen weiblichen Geschlechts verteilt werden" konnten. Weitere 10.000 M waren für eine andere "Eugenie-Schildt-Stiftung" vorgesehen, es sollten die Zinsen dieses Kapitals jährlich "an einen armen, unbescholtenen, strebsamen und befähigten Maler" ihrer Heimatstadt Kalbe "zum Zwecke einer Studienreise nach Italien oder Griechenland auf ein Jahr gezahlt werden". Als Stipendiaten sind die Maler Oscar Herper (20er Jahre), Otto Lange (1931) und Charlotte Teidtge (1939) bekannt.
Durch die Inflation und die Währungsreform nach dem II. Weltkrieg ging das Kapital der Schildtschen Stiftungen verloren.
In der Kalbenser Kirche sind zwei Gemälde der Künstlerin erhalten geblieben. Zwei halbfigurige Porträts eines Ehepaares (in Lebensgröße) und zwei Bleistiftzeichnungen befinden sich in Oschersleben und Hannover.
Einem Bericht zufolge hatte die Familie Schildt mittels der zwei Porträts Schulden abgetragen.
Gleichzeitig wurde durch die Familie Schildt auch Grund und Boden der e.v. Kirche übertragen.
Aus dem Jahre 1863 existiert eine Kopie nach dem Oelbild von E. Schildt "Karl Wilhelm Ludwig Rudolf von Alvensleben (geb. 22. 06. 1779 in Neugatersleben-gest. 27. 01. 1838 auf Schloß Gohlis)".
Der Landschaftsmaler Oscar von Alvensleben (1831-1903) aus Kalbe/M. war ein Onkel der Eugenie Schildt.
Eugenie Schildt starb am 28.10.1900
Ihr zu Ehren erhielt in Kalbe (Milde) eine Sraße Ihren Namen.
A b s c h r i f t
einer von Eugenie Schildt eigenhändig niedergeschriebenen und am 18. Juni 1848 in Kalbe anläßlich der Überreichung der von den Frauen und Jungfrauen der Stadt Kalbe gestifteten Fahne gehaltenen Ansprache
zum 18. Juni 1848
Ihr, die Ihr alle hier versammelt seid, zur Feier eines
frohen Tages, die ihr Euch brüderlich die Hand gereicht zur Besiegelung und Erhaltung deutscher Eintracht, Euch
sei diese Fahne freundschaftlichst dargebracht - von den Frauen und Jungfrauen unserer Stadt, das Symbol der Volksfreiheit und Einigkeit.
Ihr seid nicht mehr das geduldige Volk, das in den Ketten der Unterdrückung schmachtet, Ihr seid frei und mündig. Fürsten und Könige
haben die Mündigkeit des deutschen Volkes anerkannt. Doch nur in der Eintracht waren unsere Brüder stark. Das beweist die Geschichte
seit Jahrtausenden. Der echte Wert der Deutschen lag in der Brüderliebe. Sie allein war ihnen die alles besiegende Waffe gegen fremde Macht.
So bewährte sich der deutsche Heldenmut auch einst an diesem Tage. Heute vor 33 Jahren war es, wo sich die preußische Kampfeslust Napoleon,
dem kühnen Welteroberer, bei Belle-Alliance entgegenstellte und nach zwei mühevollen Tagen den schwersten, blutbeflecktesten, aber glorreichsten Sieg errang.
Eintracht, Bruderliebe machten damals die Helden stark. Darum wandelt. auch Ihr einig die Straße, die Ihr gemeinsam betreten, hegt Vertrauen gegeneinander,
gegen Eure Vorgesetzten und Oberen; denn sie haben vor Gott geschworen, Euch das herrliche Ziel, dem Ihr entgegenstrebt, erringen zu helfen.
Fern sei jeder persönliche Haß, der das Gemüt einengt und den Geist gefangenhält. Freiheit der Völker ist mit Geistesfreiheit eng verknüpft.
Darum seid stark und einig im Erringen beider.
Und er, der Weltenvater, der Euch sieht und Eure Schwüre hört, wird, so ihr Euch glaubig seiner Leitung anvertraut,
Euch selbst den Weg des Lichtes und der Wahrheit weisen, der zur Volkseinheit, zur vaterlandsverherrlichung führt.
So nehmt sie denn hin diese Fahne, dieses Friedenssymbol, welches der Himmel selbst geheiligt hat. Sie sei Euch ein mahnender Denkstein für alles,
was Ihr dem Höchsten heut innerlich gelobt. Eine heilige Erinnerung an dieses schöne Freiheitsfest. Friede, Eintracht, Glück und Segen kehre mit dieser Fahne
ein in unsere Stadt und bleibe darin wohnen immerdar!
Eugenie Schildt
Ludolf Müller über Eugenie Schildt
Emilie und Eugenie Schildt sind die Töchter des Rittergutspächters Schildt. Da die Mutter eine geborene von Alvensleben ist, verkehren sie auch viel in Demker. Vater empfindet ihre Anwesenheit immer ein wenig als Störung, besonders die der Jüngeren, Eugenie. Sie ist Kunstmalerin, schöngeistig, liberal, macht oft Reisen nach Italien. Sie ist stolz darauf, daß sie 1848 beim Pflanzen der Revolutionseiche ein Gedicht aufgesagt hat. Daß Vater Wagner bei der Abfassung eines Berichtes über diese Begebenheit sagt:“Ein törichtes junges Mädchen sagte ein Gedicht auf“, weiß sie glücklicherweise nicht. Bei der Erwähnung im Tagebuch heißt es „eine eigentümliche Dame, besonders beim Vorlesen stört sie, christliche Literatur schätzt sie nicht, sie will immer etwas klassisches.“ - Auch äußerlich bot sie, wenigstens im Alter, eine etwas komische Figur. Als sie um die Jahrhundertwende starb, wurde sie eine Wohltäterin der Stadt. Sie setzte ein hohes Legat für ein Krankenhaus in Calbe aus. Die Zinsen eines anderen Legats waren als Stipendium zu einer Italienreise für einen kunstbegabten Einwohner der Stadt bestimmt. Das Krankenhaus ist nie gebaut worden (das Geld hat die Weltwirtschaftskriese verbraucht), von einer Italienreis eines kunstbegeisterten Mannes weiß ich nur in einem Falle. Die Stadt Calbe hat bis heute eine Eugenie- schildt-Straße.
Daß Eugenie Schildt durch ihr Testament auch eine Wohltäterin unseres Hauses geworden ist, darf nicht unerwähnt bleiben. Sie hat meinem Vater, dem Verwalter ihres Vermögens, ein Legat von 15.000 M gemacht; mein und der Brüder Studium hat sich wohl zum guten Teil nur durch dieses Vermächtnis ermöglichen lassen.
Grabstein von Eugenie Schildt auf dem kalbenser Friedhof
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