Geschichten über Kalbe Milde
 

 


 

 

 
Johann Droiseke von Kröcher
(1296 – 1324)


Siegel des Johann Droiseke v. Kröcher

In den Kämpfen der letzten Askanier wird Calbe mehrfach genannt. Mit dem Tode des Markgrafen Waldemar starb 1319 die von Albrecht den Bären begründete brandenbur-gische Linie des Hauses Ballenstedt aus. Der größte Teil der Altmark fiel als Leibgedinge an Waldemars Witwe Agnes, die bereits im gleichen Jahr ihre Hand Otto dem Milden, Herzog von Braunschweig, reichte. Ein vier-jähriges Interregnum folgte für die übrige Mark. Die askanischen Herzoge von Sach-sen-Wittenberg und die Fürsten von Anhalt erhoben Ansprüche, bis Kaiser Ludwig der Bayer das Land 1324 als erledigtes Lehen einzog und seinem Sohne Ludwig von Wit-telsbach übergab.

Johann Droiseke von Kröcher, Truchsess der Mark Brandenburg und mächtiger Vasall des Markgrafen Hermann, hat Calbe offenbar um 1296 erworben. Sein Lehnsbesitz, der unge-zählte Quadratmeilen umfasste, und im Rahmen Brandenburgs unerreicht war, sollte noch vor seinem Tode verloren gehen und nicht an die Nachkommen gelangen.

Der erstaunliche Aufstieg dieses Mannes, einer der fesselnden Gestalten der frühen brandenburgischen Geschichte, endet tra-gisch. Kröcher, ein altmärkischer Edelmann, wusste – wie, weiß man nicht – ein Vermö-gen aufzubauen, das ihm erlaubte, in der Altmark die wichtigsten Burgen Calbe, Beetzendorf und Krumke und jenseits der Grenze den Schnackenburger Elbzoll zu erwerben, dazu großen Lehnsbesitz in der Prignitz und in Mecklenburg: Eilenburg bei Lübz, das Land Gnoien und Territorien um Waren. Für die Summe von 20.000 Mark setzte er sich außerdem in den Pfandbesitz der gesamten Priegnitz, was viel heißen will. Als „Mann von hoher geistiger Begabung, entschlossenem Charakter, Rechtssinn und unermüdlicher Tätigkeit“, diente er seinem fürstlichen Lehn-sherren als Rat, in Brandenburg zusammen mit Friedrich I. von Alvensleben (urk. 1281-1322) aus Erxleben. Beiden wurde die Vor-mundschaft über den jungen Markgrafen Johann übertragen. Im Zeichen seines guten Sterns war er imstande, den Landesherren Geldsummen in einer Höhe vorzustrecken, „von denen man ein Fürstentum hätte erwer-ben können“. Das Heiliggeistkloster zu Salz-wedel bedachte er mit hohen Stiftungen.

1316 verpflichtete sich Droiseke mit seinen Söhnen Johann und Heinrich, dem König von Dänemark im Stralsundischen Krieg in sei-nen Schlössern Calbe und Beetzendorf (seit 1340 dem Hauptsitz der Herren v. d. Schu-lenburg) zu dienen. Eine ähnliche Verpflich-tung ging er 1321 gegen Herzog Heinrich von Mecklenburg mit Calbe und Krumke ein und im Juni 1322 noch einmal dem Erzbischof von Magdeburg gegenüber mit Calbe allein. Vielleicht war Kröchers Belehnung mit der Burg Calbe eine Folge ihrer Schleifung. In keinem anderen Fall haben die Askanier Landesburgen sonst als Lehen ausgetan. Das geschah erst unter ihren Nachfolgern. Droiseke leitete wahrscheinlich den Wieder-aufbau ein.

Er heiratete vor 1282. Seine Gemahlin ent-stammte der Familie v. Wodenswegen. Eine in doppelter Hinsicht bedeutsame Urkunde – mitgeteilt in K.H. Schäfer, Märkisches Bil-dungswesen vor der Reformation, Berlin 1928, S. 21 – meldet, dass Pfarrer Friedrich von Potsdam sich 1314 mit seinem Schüler Martin v. Kröcher in Bologna immatrikulieren lies. Dieses Dokument stellt interessanter-weise die erste urkundliche Erwähnung der preußischen Residenzstadt Potsdam dar. Ferner ist Martin v. Kröcher, soweit bekannt, der erste namentlich genannte brandenburgi-sche Edelmann, der an einer außerdeut-schen Universität studierte.

Dieser Martin ist in den Kröcherschen Stammtafeln nicht genannt, hingegen ein älterer Martin, markgräflicher Kaplan, De-chant des Domstifts St. Nicolai zu Stendal, Professor des geistlichen Rechts, der 1283–1310 in zehn Urkunden auftrat und vor 1312 starb. Der Dechant Martin kommt also nicht in Frage. Der Student Martin II. v. Kröcher kann ein jüngerer Sohn Droisekes gewesen sein, welcher für den geistlichen Stand be-stimmt und nach dem noch lebenden De-chanten Martin genannt war. Dafür sprechen der namhafte geistliche Hofmeister, die Kos-ten, die ein wohlhabender Vater tragen konn-te, dass Außerordentliche des Vorgangs, Ehrgeiz und Weitblick, die hier sichtbar wer-den.

Markgraf Waldemars Tod bedeutete für die Kröcher Schicksalswende und Verhängnis. Droisekes Lage wurde schwierig, denn der Verstorbene schuldete ihm hohe Geldsum-men, deren Erstattung nun in Frage stand. Da seine Besitzungen in verschiedenen, jetzt auseinander gerissenen Teilen der zerstü-ckelten Mark Brandenburg lagen, sah er sich gezwungen, nunmehr zwischen vier landes-herrlichen Parteien zu lavieren, den Aska-niern, Obotriten, Welfen und Wittelsbachern. Die ausgeliehenen Summen wurden niemals zurückgezahlt. Zunächst verpfändete er die Prignitz weiter an Herzog Heinrich von Meck-lenburg, den an diesem Erwerb interessier-ten, starken Nachbarn Brandenburgs.

Noch größere Gefahr erwuchs Kröcher aus seinem Abfall vom Herzog Otto von Braun-schweig, ein politischer Fehler, zumal der Welfe jetzt Machthaber in der Altmark war, wo Droisekes Hauptbesitzungen lagen. Es bestand keine Aussicht, die Neubelehnung zu empfangen, den Besitz zu behaupten. Beetzendorf und Krumke mussten zu erst verkauft werden.

Den Burgward Calbe verpfändeten Vater und Söhne 1320–1321 vorübergehend den Städt-chen Stendal, Tangermünde, Osterburg und der Ritterschaft der Vogtei Tangermünde. Beide Parteien trugen den Rittern Ebel v. Lüderitz, Ebel v. Schwarzlosen, Friedrich und Heinrich v. Schäpelitz Schutz und Verwaltung des Schlosses auf.

Vor seinem Tode 1322 übergab Droiseke die altmärkische Grundherrschaft seinen Söhnen und zog sich auf seine ihm verbliebenen Erb-lehen in der Prignitz zurück, die nach dem Verlust von Calbe zur neuen Heimat der Krö-cher wurde und bis 1945 geblieben sind. Erst nach 1800 fassten sie in der Altmark, ihrem Ursprungslande, wieder Fuß.


mit freundlicher Genehmigung, entnommen der Chronik "Die Alvensleben in Kalbe - 1324-1945" von Dr. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor verfasst 1920-1960 bearbeitet von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

 
 
 
 
 
   
  
 

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