Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Vierte Generation: Unter den ersten Hohenzollern, 1412–1444

Söhne Albrechts III.: Albrecht IV. (W.50), Johann IX. (W 51), Busso V. (W. 52), Siegfried (W.53)
Sohn Busses II. : Gebhard XII. (W.54)
Sohn Gebhard XI. : Ludolf II. (W.55)

Siegel von Albrecht IV. v. Alvensleben
(aus Mülverstedt II)

Die vier Söhne Albrechts III. starben ohne Erben zu hinterlassen. Albrecht IV., gestorben um 1430, erscheint 1390 als Pfandherr auf Klötze, dem damaligen Hauptsitz der Weißen Alvensleben. Johanns IX. Gemahlin hieß Bertha. Sein Sohn Albrecht starb früh, seine Tochter Heilwig vermählte sich mit Hans v. Veltheim.

Der bedeutendste, Busso V. (urk. 1393-1432), trat dem Johanniterorden bei und wurde zwischen 1416 und 1419 dessen „Heermeister in der Mark, Sachsen, dem Wendenlande und Pommern“: Dieses Amt bekleidete er bis etwa 1424/26. Danach trat er zurück, blieb aber Komtur zu Werben an der Elbe. Als solcher wird er 1432 zuletzt erwähnt. Das Gesetz zwang ihn, auf seinen Anteil an Calbe zu verzichten. Busso V. ist vor allem durch seine wohltätigen Stiftungen hervorgetreten: 1424 stiftete er zusammen mit dem Rat der Stadt Werben das St. Gertrauden–Hospital vor dem Elbtor. 1429 schenkte er der Kommende zehn Wispel jährliche Getreidepacht aus dem Dorf Rädel bei Werben für die Armenfürsorge.

Wappen des Herrenmeisters v. Alvensleben im
Kreuzgewölbe der Johanniterkirche in Sonnenburg
(Slonsk – heute Polen)

Im Kreuzgewölbe der Johanniterkirche in Sonnenburg bei Küstrin (jetzt Polen) befindet sich ein Wappen des Herrenmeisters, das an ihn, aber auch an letzten Meister des Templerordens Friedrich v. Alvensleben (urk. 1301-1312) erinnert, der nach der älteren Überlieferung nach Auflösung des Templerordens erster Herrenmeister des Johanniterorden gewesen sein soll. Es zeigt in je zwei Feldern das Johanniterkreuz und das Alvenslebensche Wappen.







Gebhard XII. (W.54), Sohn Bussos II., war Mitbesitzer von Calbe und besaß Rechte in Berkau. Er war mit Berta v. Bartensleben verheiratet und starb 1403. Der gemeinsame Grabstein Gebhards und Bertas unter der Nonnenempore zu Kloster Neuendorf zeigt beide Gestalten in gotischer Rahmenarchitektur, archaisch in Stein geritzt – verglichen mit dem um ein knappes Jahrhundert älteren Grabstein der Oda ein Absinken der Kunstformen unter den Händen eines ländlichen Steinmetzes.

Grabstein von Gebhard XII. v. Alvensleben und Berta
v. Bartensleben in Kloster Neuendorf, 1403

Der Stein wird von Hildebrandt"1" wie folgt beschrieben: „Unter einem gothischen Baldachin erblickt man die Figuren der beiden Verstorbenen in ziemlich rohen Umrissen eingemeißelt. Der Ritter erscheint im Harnisch, doch unbedeckten Hauptes; mit der Linken hält er sein großes Schwert, mit der Rechten einen Dolch. Die Edelfrau ist ähnlich gestaltet wie die Oda (im vorherigen Bild); die Hände hält sie betend unter dem Kinn zusammengelegt. Zu den Füßen der Gestalten sind zwei Wappenschilde angebracht: links von Alvensleben, rechts von Bartensleben.

Die Umschrift lautet: Anno. domini – millesi-mo. cccc. iii. obiit. ghevehardus de alve – s eve. i. die. iohis. an porta. – (d.h. in die Johannis ante portam latinam) ano. dni. m. cccc. …… obiit berta. uxo. eius. q. a. r. i. p. (quorum animae reqiescant in pace).

Das Todesdatum von Berta v. Alvensleben fehlt. Daraus ist zu folgern, dass sie ihren Mann überlebte und den Grabstein anfertigen ließ. Nach ihrem Tode hat man dann versäumt, ihr Todesdatum nachzutragen.

Abendmahlskelch in der Klosterkirche Neuendorf
gestiftet nach 1403 von Berta v. Alvensleben, geb. v.
Bartensleben, Zeichnung bei Mülverstedt

Berta v. Bartensleben, stiftete den noch vorhandenen vergoldeten, silbernen Abendsmahlkelch in Kloster Neuendorf, ein Werk Heinrich Hornes in Gardelegen, von dem auch der Kelch der Weißen Alvensleben in Erxleben stammt. Den Fuß des Kloster Neuendorfer Kelchs schmücken die Wappen der Alvensleben und Bartensleben.

Die Inschrift (in altdeutscher Minuskel) am Fuße des Kelches lautet:
huc. calice. de. berta. relca. gevehardi. de. Alvesleue. ad claustr. niedorp. p. memoria.
(Hunc calicem dedit Berta relicta Gevehardi de Alvesleve ad claustrum Niendorp pro memoria)
(Diesen Kelch gab Berta, die hinterbliebene Witwe von Gebhard v. Alvensleben dem Kloster Neuendorf zum Gedächtnis).

Ludolf II. (W.55), der einzige Sohn Gebhards XI., vereinigte endlich wieder den Calbeschen Gesamtbesitz in einer Hand. Wie Ludolf X. v. Alvensleben (gest. 1596) berichtet, hinterließ ihm sein Vater auch die ihm von den Herzog von Lüneburg gegen 40.000 Goldgulden verpfändete Grafschaft Lüchow. Die Alvensleben zu Calbe seien damals „gar prächtige Leute“ gewesen, steht in dieser Niederschrift, also reiche Herren mit imposanter Hofhaltung. 1435 gelangte Ludolf II. für einige Jahre auch in den Pfandbesitz der Burg Gardelegen, die bis dahin Gebhard XIV. von der Weißen Linie verpfändet gewesen war.

Als Belohnung für „mannigfaltige nützliche Dienste“ verlieh ihm Kurfürst Friedrich I. 1423 „aus besonderer Gnade“ als Erblehen die Güter des ohne Lehnserben verstorbene Hans v. Dequede, und zwar Mehrin, Dolchau und Beese auf dem Calbeschen Werder, Erxleben bei Osterburg, Grassau und die Wüstung Süppling am Tanger.

Wichtig ist die Erwerbung von Zichtau, Berge, Schenkenhorst und Groß-Engersen im Jahre 1420, die später Stammsitz wurden, ferner von Estedt, Faulenhorst und Solpke (Zarnack II. 206). Endlich kaufte Ludolf II. von den Edlen von Warberg 1437 Ländereien, um seinen vorhandenen größeren Besitz um Weferlingen abzurunden. Wohlbrück widmet diesen Besitzveränderungen in seiner Darstellung breiten Raum.

Im März 1420 sehen wir Ludolf im Gefolge bei der Belagerung des damals pommerschen Schlosses Angermünde, das sich auf die Niederlage eines pommerschen Entsatzheeres hin zur Übergabe gezwungen sah. Ludolf gewann damals die Ritterwürde.

Der Kurfürst erkämpfte zunächst die Uckermark von den Pommern, gewann hierauf von Mecklenburg die Prignitz zurück, wandte sich dann aber wieder seinen fränkischen Fürstentümern zu und bezwang als Reichsfeldherr die Hussiten. In der Mark ließ er seinen Sohn, Markgraf Johann, als Statthalter zurück, sah sich jedoch immer wieder gezwungen, seine brandenburgischen Feldzüge selbst zu führen, um die von außen bedrohten Marken und ihre innere Ordnung zu schützen.

Ludolf II. begleitete den Kurfürsten bei verschiedenen Unternehmungen, so 1423 zur Besetzung von Sachsen–Wittenberg (nach Aussterben der askanischen Herzöge), 1426 den Markgrafen Johann bei der Wiedereroberung der Stadt Prenzlau, deren sich Pommern–Stettin bemächtigt hatte. Mehrmals verbürgte er sich für Kapitalien, die das Haus Brandenburg aufnahm, so für den Kurfürsten wegen des Brautschatzes der Prinzessin Magdalene, die Herzog Friedrich zu Braunschweig – Lüneburg heiratete.

Ludolf II. war der erste Lehnsträger auf Calbe unter der Hohenzollernherrschaft, die – bis 1918 währte – ein halbes Jahrtausend überdauern sollte. Mit dieser Dynastie, die 1411 die Mark zunächst vom Kaiser als Pfandschaft erhielt, aber bereits 1415 – mit deren dauerndem Besitz als Reichslehen – die Kurwürde erlangte, begann Brandenburgs Aufstieg zur norddeutschen Vormacht. Hunderttausend ungarische Goldgulden hatten die Burggrafen 1411 als Pfandsumme zu zahlen und verlangten dafür die Huldigung der brandenburgischen Ritterschaft. Empört erklärten deren Vertreter zunächst, sie hätten Sigismund, dem König von Ungarn, als dem „richtigen Erbherren“ den Huldigungseid zuvor in Berlin und Ofen-Pest geleistet. Jetzt verweigerten sie die Huldigung seinem „Vertreter und Verweser“, den sie herabsetzend als „Nürnberger Tand“ bezeichneten.

Ludolf II. auf Calbe und Gebhard XIV. auf Gardelegen schlossen sich zunächst 1412-13 der Quitzowfronde an. Anlass gab eine gleichzeitige Fehde Brandenburgs mit dem Erzstift Magdeburg, an der sich beide beteiligten – der Gardeleger allein mit sechzehn Gewappneten. Die Märker gewannen ein Gefecht an der Stremme im Lande Jerichow. Der Erzbischof wollte jetzt Revanche nehmen, der Burggraf sich in der Mark Gewalt verschaffen. Es kam daraufhin zur Erstürmung der Quitzowschen und Rochowschen Burgen durch die vereinten Fürsten. 1414 bezwang Burggraf Friedrich auch die Burg Gardelegen, worüber keine Einzelheiten bekannt sind. Vergeblich hatte Sigismund am 12. August 1412 die Renitenten zurechtzuweisen gesucht. Mit Gardelegens Fall brach der Widerstand in der Altmark zusammen. Für zwei Jahre sah sich Gebhard XIV. vertrieben, doch 1416 gab Friedrich ihm die Burg zurück.

Burg Gardelegen um 1600 – Auschnitt einer
Rekonstruktionszeichnung von Anco Wigboldus

Die Verleihung der Kurwürde änderte die Situation und gab den Hohenzollern erst volle Legitimität. Durch Entschlossenheit und Tatkraft hatte der einflussreiche Gebhard in der Krise sein Ansehen bestätigt. Bereits 1416–1421 wurde er zum Landeshauptmann der Altmark bestellt und 1418 sowie in der Folgezeit mit weiteren Besitz und Einkünften belehnt. Damit nicht genug: 1448 übertrug der Kurfürst Friedrich Eisenzahn Gebhards Sohn, Werner II., Burg und Vogtei Gardelegen, das bis dahin nur Pfandbesitz gewesen war, als erbliches Lehen. Der Friede war schnell und vollständig geschlossen worden.

Das Haus Calbe scheint vorsichtigere Politik getrieben zu haben. Hier gab es offenbar keine Konflikte, keine Belagerung. Gewohnt, an Fürsten und Städte ständig Geld auszuleihen, griff man von Calbe aus, wie die Urkunden bezeugen, dem neuen Landesherren, zumal seit er den Kurhut trug, mit großen Summen unter die Arme. „Sie hatten zu ihrem Gelde“ heißt es in den Urkunden über die Alvensleben, „viele feste Schlösser“, woraus hervorgeht, welche Bedeutung das Barkapital besaß. Der Versuch, es mit den einstigen Burggrafen von Nürnberg auf Machtkämpfe ankommen zu lassen, wäre aussichtslos gewesen, denn niemals hätte ein Geschlecht des Lehnsadels die Autorität über seinesgleichen erlangt. So blieben Einfluss und Machtstellung der Familie, die sowohl der Ausdehnung ihres Lehnsbesitzes wie der geistigen Bedeutung einiger Mitglieder zu danken waren, unter der neuen Dynastie erhalten, die sich in Zukunft auf ihre Lehnsträger fest verlassen konnte.

Am 17. Juli 1436 erneuerte der Kurfürst für die sieben schlossgesessenen Geschlechter der Altmark das Vorrecht ihrer Befreiung vom Gerichtsstande des niederen Hofgerichts, was ihre soziale Stellung, wie sie sich unter den Askaniern herausgebildet hatte, und von Kaiser Karl IV. bestätigt worden war, von neuem wirksam hervorhob. Unter Kaiser Karl IV. und seinen Nachfolgern aus luxemburgischen Geschlecht wurden die Schlossgesessenen Brandenburgs gleich den Familien des Herrenstandes in Böhmen als „Nobiles“ geführt, ein Titel, der dem hohen Adel dynastischen Ursprungs im deutschen Reich vorbehalten war. Dieser Rang ließ sich unter den Hohenzollern nicht behaupten, doch erreichten die „Schlossgesessenen“ wenigstens, dass sie im Gegensatz zu dem nicht beschlossten Adel „von jetzt an zu ewigen Zeiten, in keinerlei Angelegenheit vor märkischen Hofgerichte, sondern allein bei dem Landesherren oder dem Landeshauptmann der Altmark rechtlich belangt werden könnten“. Die Lehnsträger auf Calbe gründeten 1420-1460 ringsum, teilweise auf Gütern, die Ludolf erworben hatte, eine Anzahl neuer befestigter Sitze (Curiae), keine eigentlichen Burgen: Zichtau, Vienau, Berge, Schenkenhorst, Groß Engersen.

Quellenangaben zum Erwerb von Zichtau, Berge, Gross Engersen, Schenkenhorst:
Zichtau gehörte (s. Mülverstadt. II, S. 80) 1427 zu den Dörfern der Alvensleben zu Calbe, die zeitweilig an Matthias v.d. Schulenburg verpfändet wurden.
Berge (s. Parisius u. Brinckmann, Bau– und Kunstdenkmäler des Kreises Gardelegen, 1897, S.20) Von den Alvensleben zu Calbe an die ritterbürtige Familie Melk verafterlehnt. Diese seit 1410 dort nachweisbar.
Schenkenhorst (s. Parisius u. Brinckmann, S.143) Erste Urkunde 1420: Rechnung für Schäden aus 1416–17. Der Hauptsitz im Dorf befand sich damals schon in den Händen der Alvensleben zu Calbe.
Groß Engersen (s. Calbesche Copialienbuch - bis 1945 im v. Alvenslebenschen Archiv zu Calbe a. M.), Quelle für die Angaben, dass Groß Engersen gleichzeitig mit Zichtau und Berge um 1420 durch Ludolf II. v. A.–Calbe erworben wurde. Für Berge kann der Kauf erfolgt sein, als die Familie Melk dort bereits saß.


mit freundlicher Genehmigung, entnommen der Chronik "Die Alvensleben in Kalbe - 1324-1945" von Dr. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor verfasst 1920-1960 bearbeitet von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

"1"
Ad. M. Hildebrandt: Die Grabsteine und Epitaphien adliger Personen in und bei den Kirchen der Altmark. Gardelegen 1868, S. 58-68

   
  
 

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